Aachen. Kein Regen, aber viele Tränen flossen auf dem Westfriedhof I. Ein Mann mit Saxophon spielte einen Blues.
Jeder der fast hundert Menschen trug eine Blume vor und viele Erinnerungen mit sich. Alle, Eltern, und Großeltern, Geschwister und Freunde, kamen zur Einweihung der Gedenkstätte mit den vier darum angeordneten Namens-Blöcken.
Für Söhne und Töchter, Enkel und Enkelinnen, Brüder, Schwestern und Freunde, die von der Welt gingen, noch bevor sie ein Leben ganz lebten. Eine Gedenkstätte für Kinder, die – verkehrte Welt – Eltern hinterließen: durch Früh- oder Fehlgeburt, Krankheit und Schicksal.
Mehr als 50 Mitglieder
«Verwaiste Eltern» heißt der Verein in Aachen, der in solchen Situationen den Betroffenen beistehen will. Gerda Palm ist deren Trauerbegleiterin und hilft Menschen, mit dem Verlust von jungem Leben umzugehen. Sie kannte viele der Familien, die an der Gedenkstätte erschienen, aus Betreuungsangeboten.
«Bis September vergangenen Jahres hatten wir Projektgelder für ihre Stelle», erklärte Edith Bircken, die stellvertretende Vorsitzende der «Verwaisten Eltern», die inzwischen etwas mehr als fünfzig Mitglieder zählen.
Dieser Verein sei 1996 «gezielt gegründet» worden von Betroffenen, um die Trauerbegleiterin anzustellen. Inzwischen arbeite Gerda Palm selbstständig. Denn «die Mittel sind vor einen halben Jahr ausgelaufen».
Die Zusammenarbeit funktioniere aber noch immer, und, so Bircken, «wenn Eltern sich Leistungen nicht leisten können, springen wir weiterhin ein».
Die Gedenkstätte ist dabei ein öffentliches Mittel der Trauerarbeit, ein Ort zum Abschied nehmen und zur namentlichen Erinnerung; viele Faktoren haben sie ermöglicht.
Da ist der Stadtbetrieb, der den Platz zur Verfügung stellte, und Friedhofsverwalter Hendrix, der die Säulen aus belgischem Granit beschaffte. Da ist der Steinmetz, Andreas Radermacher, der es als «eine Herzensangelegenheit» auffasste, die Säulen zu verarbeiten.
Der eingravierte Spruch, den man wählte, heißt «Du warst ein Lied in mir, das nie gesungen wurde, nur gehört von mir.»
Und da ist die Künstlerin Jenny Vonhoegen, die mit Eltern der Trauergruppen die Edelstahl-Installation «Augenblick» schuf: «Zum einen ein abstraktes Auge, dann ein Bild für Vater, Mutter und Kind.»
Und da ist Trauerbegleiterin Palm, die selbst ihren Sohn verlor in einer Zeit, wie sie erzählte, als Gesetzgeber noch «zwischen bestattungswürdig und nicht bestattungswürdig» unterschieden.
Neue Bestimmungen
Bis 1993 fielen unter diese Kategorie die Fehl- und Totgeburten unter 1000, ab 1994 unter 500 Gramm. Erst seit Herbst 2003 ist Bestattung für alle Menschen Pflicht – unabhängig vom Gewicht oder der Schwangerschaftsdauer. Im März wurden auf dem Westfriedhof I erste Gräber eingeweiht, nun befindet sich die Gedenkstätte für alle Trauernden daneben.
Pater Timmermann und Pfarrerin Sabine Hölzer-Pöll gaben dem Ort ihren Segen, Dompropst Dr. Herbert Hammans versprach, dass «Gott niemand nach Mühen, sondern jeden nach Namen» festhalte. Die «Verwaisten Eltern» haben eine weitere Etappe genommen. Mit dem Ort, der ihre Kinder beim Namen nennt.
Weitere Informationen zur Gedenkstätte, dem Erwerb der Gedenksteine und zu den Grabfeldern bei Trauerbegleiterin Gerda Palm, 0241/76688, oder unter www.verwaiste-eltern-aachen.de
Von Marc Schulze, Aachener Zeitung